Geschichte

 

Von Pferden und Pelikanen

Die Straße „An der Schwemme“ und das auf ihrer Ostseite gelegene ehemalige Brauhaus tragen ihren Namen nach der Pferdeschwemme, als die der angrenzende seichte Saalearm, die Schwemmsaale, seit dem Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert hinein diente. Hier konnten die Pferde der Fuhrleute, besonders von den Ausspannhöfen an der angrenzenden Mansfelder Straße, getränkt und gesäubert werden. Der bis heute unbebaute Uferbereich an der stadtabgewandten Seite der Schwemmsaale bis an die Hallorenbrücke zeugt noch davon. Das Gelände fiel früher allerdings flacher zum Wasser hin ab.
Bewohner der zwischen den Saalearmen gelegenen vorstädtischen Siedlung Strohhof erbauten hier 1718 eine eigene Brauerei in Gemeinschaftsbesitz. Das dort gebraute Braun- und Weißbier (Broyhan) war so beliebt, dass die Brauereien der Stadt Halle sich mit Erlassen gegen die Konkurrenz zu schützen versuchten. So war bis in das 19. Jahrhundert hinein der Ausschank des Strohhöfer Bieres in Halle untersagt. Der Betrieb führte den Namen „Brauhaus zum Pelikan“. Dieser Vogel wurde in der christlichen Überlieferung als Sinnbild für den Opfertod Christi verstanden: Nach der Legende reißt sich der Pelikan mit seinem Schnabel die Brust auf, um seine vorher von ihm selbst getöteten Kinder durch Benetzung mit seinem Blut zu neuem Leben zu erwecken. Genau dies ist auf einem Relief an der südlichen Giebelseite des Hauses dargestellt. Auch Bierflaschen trugen ein Relief des Pelikans als Erkennungszeichen.


Brauhaus und barocker Stuck

Das 1718 errichtete Brauhaus war ein ca. 20 m langer Fachwerkständerbau über einem tonnengewölbten Kellerraum. Schon bald erfolgten Anbauten nach Norden und Süden, wodurch sich die Größe des Gebäudes etwa verdoppelte. An der Straßenseite ist diese Dreiteilung des Hauses bis heute ablesbar. Das Erdgeschoss wurde aus Porphyrbruchstein errichtet, darauf folgten ein Fachwerkgeschoss und ein mehrgeschossiger Dachstuhl.
Im mittleren und nördlichen Teil des Gebäudes befand sich der Brauereibetrieb mit Räumen zur Lagerung Keimung, Trocknung und Röstung der Gerste, einer pferdegetriebenen Schrotmühle zur Zerkleinerung des gewonnenen Malzes, dem Sudhaus zum Verkochen der Maische und der Kellerei mit Gärbottichen und Lagerfässern. Der südliche Anbau diente als Wohnhaus für den Braumeister. Von dessen Ausstattung haben sich noch zwei barocke Stuckdecken in Teilen erhalten. 1830 wechselte das Brauhaus von Gemeinschaftsbesitz in den Privatbesitz einer Brauerfamilie. Heinrich Müller kaufte die Brauerei und übernahm den Betrieb, den er und seine Nachfolger über 80 Jahre Jahre hinweg sehr erfolgreich führten. Das Wohnhaus wurde 1832 um einen Anbau zur Schwemmsaale hin erweitert, der bis an die massive Ufermauer reichte. In Teilen des Wohnhauses wurde 1859 eine Gastwirtschaft eingerichtet. Der Brauereibetrieb wurde unter anderem durch Einbau einer Dampfmaschine und die Errichtung einer neuen Darre für die Malzröstung modernisiert. Diese entstand 1865 als massiver turmartiger Ziegelanbau, der bis heute die Ansicht von der Schwemmsaale aus prägt. Ein Schriftzug auf dem Nordgiebel des Brauhauses zeugt von der letzten Besitzerin der Brauerei aus der Familie Müller: „Heinrich Müllers Ww. (Witwe) Schwemme Brauerei“ – unter diesem Namen firmierte die Brauerei seit 1888.
Nach dem Verkauf der Brauerei an Kurt Saß 1911 schloss dieser zunächst die Gastwirtschaft. 1919 ließ er noch den Verandaanbau an der Südseite errichten, verkaufte aber 1920 das Brauhaus an die konkurrierende Freyberg-Brauerei. Damit fand die Brauereitradition an dieser Stelle ihr Ende. Das Gebäude ging an neue Eigentümer, die darin Kleinwohnungen einbauten. 1926 wurde eine Heringszurichterei zur
Fischverarbeitung eingerichtet.




Vom Leerstand bis zur Rettung durch den Schwemme e.V.

Nach 1945 beherbergte das Haus eine Arztpraxis und verschiedene Werkstätten, unter anderem eine Schusterei und einen Ofensetzerbetrieb. Im Erdgeschoss zog Ende der 60er Jahre eine Vulkanisierwerkstatt ein, die bis zum Ende der 80er Jahre bestand. Auf diese gehen die Toreinfahrt und das große Werkstattfenster in der Mitte des Gebäudes zurück.
Anfang der 90er Jahre endete vorerst die Nutzung des ehemaligen Brauhauses. Es gehört zu den gefährdeten Baudenkmalen der Stadt Halle. Zwanzig Jahre des Leerstandes haben erhebliche Schäden an dem Gebäude hinterlassen, ein Brand im September 2015 hat vor allem im südlichen Teil erhebliche Zerstörungen verursacht. Eine Rettung des Gebäudes ist aber immer noch möglich.
Seit 2011 bemühen sich bürgerschaftliche Initiativen um eine Bewahrung des Baudenkmals. Im Februar 2015 hat sich dafür der Schwemme e.V. gegründet, der vom Haushalten Halle e.V. und dem Arbeitskreis Innenstadt e.V. unterstützt wird. Er hat im Mai 2016 den südlichen Teil, das ehemalige Wohnhaus, vom bisherigen Eigentümer erworben. Im Mai folgte schließlich die Übernahme des nördlichen Teils von der Stadt Halle (Saale).
Der Verein will das Gebäude denkmalgerecht wiederherstellen und einer neuen Nutzung zuführen. Als Orientierung dient dabei das von der Stadt Halle in Auftrag gegebene „Aktivierungskonzept Schwemme“. Dieses sieht vor, das Gebäude mittels einer dauerhaften Nutzung durch kreative Akteure wiederzubeleben. Es gibt Interessenten für verschiedene Nutzungsideen, die Stadt Halle unterstützt das Projekt. Durch bürgerschaftliches Engagement kann so ein wichtiges und derzeit gefährdetes Zeugnis der halleschen Geschichte bewahrt werden.