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Ein freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege

Lena: Mit gutem Kaffee geht alles

10 Uhr morgens auf der Baustelle der alten Schwemme Brauerei: „Lena, Kaffee!“ höre ich es Holger von unten heraufrufen, während ich gerade den Pinsel zum neuen Farbauftrag ansetzen möchte. Fix das Gerüst heruntergeklettert, gesell ich mich zu unserer „Schwemme Crew“ zur gemeinsamen Frühstücks- und Plauderpause. Dass es immer frisch gekochten Kaffee auf einer Baustelle gibt, den man dann auch noch in idyllischer Lage genießen kann, würde ich schon als kleinen aber feinen Luxus bezeichnen. Nicht ohne Grund fühlte ich mich also von Anfang an wohl hier.

Hey, mein Name ist Lena Forberger, ich bin 19 Jahre alt und komme aus Döbeln. Vom 01.09.2022 bis 31.08.2023 absolviere ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege (FSJ), wobei meine Einsatzstelle die Schwemme in Halle (Saale) ist.

Die Jugendbauhütten, die es verteilt in den 16 Bundesländern gibt, sind ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) und in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste. Über die Website der DSD habe ich überhaupt erst von der Möglichkeit eines solchen besonderen FSJ erfahren. Warum ist es so besonders? In diesem Jahr erlernen die Teilnehmenden je nach Einsatzstelle verschiedenste traditionelle Handwerkstechniken und erfahren durch die praktische Arbeit an Denkmalen die Bedeutung von Denkmalschutz und Denkmalpflege. Das historische Kulturerbe wird greifbar und lebt wieder auf.

Lenas Highlights im FSJ in der Denkmalpflege

Die 30 Seminartage, verteilt auf mehrere Monate, runden das FSJ ab und machten mit das schönste Erlebnis dieses Jahres aus. Da ich zur Jugendbauhütte Quedlinburg gehöre, kamen alle Freiwilligen des Bundelandes Sachsen-Anhalt in der Welterbestadt im Seminarhaus Pölle 5 zusammen. Hier ging es einerseits darum, während der täglichen Praxisarbeiten verschiedene Handwerksgewerbe, wie zum Beispiel Maurer-, Zimmerer- oder Tischlerhandwerk unter versierten Anleiter*innen kennenzulernen und durch theoretische Vorträge zu vertiefen. Ein anderer großer Faktor, der die Seminare ausmachte, war das Kennenlernen der anderen Freiwilligen und der Austausch mit ihnen. Schon nach ein paar Tagen des allerersten Seminars entstand aus einzelnen, sich fremden Freiwilligen, eine dynamische Gruppe, die sich immer besser kennenlernte. Wir hatten die Möglichkeit, auch außerhalb der Arbeitszeiten, das Workshopangebot zu nutzen und konnten uns so beim Batiken, Bleiverglasen und der Schmuck- und Kerzenherstellung kreativ ausleben. Kombiniert mit selbst überlegten Spielen waren das die besten Voraussetzungen, um sich noch besser kennenzulernen und um zu der Gruppe heranzuwachsen, die wir schlussendlich geworden sind. Das ist nicht selbstverständlich und bleibt mir in wertvoller Erinnerung.

Florian berichtet vom Fluthilfecamp

Wir waren aber nicht nur zu den Seminaren in Quedlinburg als Gruppe zusammen, sondern auch beim Fluthilfecamp der Jugendbauhütten aller Bundesländer im Ahrtal. Lena und ich waren von den insgesamt zwei Wochen eine Woche dabei. Kurz zu mir: Ich bin Florian Wießner, 19 Jahre und absolviere auch mein FSJ in der Denkmalpflege an der Schwemme in Halle.

Aber warum waren wir im Ahrtal?

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli im Jahr 2021 wälzte sich eine katastrophale Flutwelle durch das Ahrtal. 135 Menschen starben, hunderte wurden verletzt und 17.000 Bewohner verloren ihr Zuhause. Selbst zwei Jahre danach sind noch die verheerenden Folgen der Flut erkennbar. Besonders ältere Gebäude und Fachwerkhäuser waren stark betroffen. Hierbei kamen wir nun zum Einsatz.

Insgesamt etwa 300 Freiwillige und Ehemalige der Jungendbauhütten kamen, über die zwei Wochen verteilt in einem Camp zusammen und verrichteten auf insgesamt 17 verschiedenen Baustellen einerseits klassische Zimmerer- oder Maurerarbeiten. Die Aufgabe meiner Baustellengruppe bestand andererseits darin, den Mühlenteich in Ahrweiler von Schlamm und Bewuchs befreien. Eigentlich war es kein Teich, sondern ein 4,5 km langer, künstlich angelegter Bach links der Ahr, der die Mühlen im Stadtgebiet antrieb. Es klingt natürlich jetzt nicht so interessant wie manch andere Baustellen und wir waren sehr oft damit beschäftigt, Dreck und Erde unter der prallen Sonne zu entfernen. Dennoch war es eine wichtige Arbeit, die auch die Bewohner*innen des Ortes, die an uns vorbeiliefen, wertzuschätzen wussten. Als kleines Dankeschön und als Abkühlung zur Mittagshitze brachte uns eine Anwohnerin von nebenan auch mehrmals kalte Getränke und Eis vorbei, was die Arbeit doch gleich angenehmer machte.

Lena arbeitete an einer kleinen Kapelle in Mayschoß, an der das zerstörte Mauerwerk neu ergänzt sowie ein neues Dach gezimmert wurde. Außerdem befreite ihre Gruppe den hinter der Kapelle liegenden Weinkeller von Dreck, Schlamm und Schimmel.

Wir arbeiteten immer bis 17.30 Uhr und wurden anschließend vom Bus abgeholt und ins Camp zurückgefahren. Ab da war Freizeit angesagt! Man kam schnell mit den anderen Freiwilligen in Kontakt und in der Mitte des Camps befand sich der „Chill-Bereich“ mit vielen Hängematten und großen Sitzkissen und der Bereich zum gemeinsamen Frühstück und Abendessen. Zudem spielten wir zusammen Volleyball und Fußball oder unternahmen eine kleine Wanderung auf den nächstgelegenen Aussichtspunkt.

Ich denke, dass die Betroffenen vor Ort durch dieses große Projekt zum Wiederaufbau vor allem Mut, Kraft und Hoffnung schöpfen konnten, da es zeigte, dass die Flutkatastrophe nicht in Vergessenheit geraten ist. Durch das Engagement vieler junger Freiwilliger kann ihnen so ein Stück Heimat zurückgegeben werden.

Foto:  Barbara Wendling / DSD

Lena und ihr Weg zum FSJ in der Schwemme

Aber nun zurück zur Schwemme. Ich, Lena, hatte im April 2022 die Möglichkeit mir diesen Ort das erste Mal anzuschauen, nachdem ich durch das Bewerbungsverfahren zu einer Art Vorstellungsgespräch von Henryk eingeladen wurde. Ich sage bewusst eine Art, denn meiner Aufregung an diesem Tag entgegenkommend wurde das Treffen sehr locker gesehen und war eher ein entspannter gegenseitiger Austausch auf Augenhöhe. Trotz meiner Bewerbung für eine andere Einsatzstelle, war für mich klar: Hier möchte ich mein FSJ verbringen. Natürlich war es eine Überwindung, über 100 km allein in eine andere Stadt zu ziehen, bereut habe ich es aber keinesfalls.

Mir gefiel vor allem die Abwechslung, die die Schwemme als Einsatzstelle mitbringt. Ich arbeitete mit Holz und baute beispielsweise selbst ein Regal, lernte den Umgang mit Lehm und konnte schon nach einer Woche gemeinsam mit Florian eigenständig den Giebel des Gebäudes ausmauern, durfte durch das Streichen auf den Höhen des Baugerüstes dem Fachwerk seine ursprüngliche Farbe wiedergeben und hierbei meine Schwindelfreiheit auf die Probe stellen, Fensterfugen mit Hanf ausstopfen und noch vieles mehr. Beim Dachziegelreinigen im Winter froren mir leider irgendwann die Finger so arg, weshalb es das leider nicht auf die Liste meiner Top 3 Lieblingsaufgaben schafft. 😉

Das Besondere waren für uns die privaten Feiern und öffentlichen Veranstaltungen in den bereits nutzbaren Räumen, die teilweise parallel zum Baubetrieb stattfanden. Während man sich im Winter nicht so richtig vorstellen konnte, wie in dem zu der Zeit kahlen Hofbereich eine stimmungsvolle Atmosphäre zustande kommen soll, war ich umso beeindruckter von dem Charme, der im Sommer schließlich aufkam; Lichterketten, Liegestühle am Ufer und eine Bühne, die verschiedenste Künstler*innen empfing, sorgten für gemütliche Veranstaltungsabende in der Schwemme und brachten Abwechslung in den Baualltag. Hierfür hatten wir die Aufgabe, regelmäßig vor diesen Ereignissen Einweisungen für die Mietenden der Räume zu machen, diese vorzubereiten und zu putzen gegebenenfalls Getränke einzukaufen und konnten schließlich selbst auch mal hinter der Bar stehen.

Im Rahmen von Exkursionen waren wir mit Hanni des Öfteren unterwegs und wurden mitgenommen zu verschiedenen Vernetzungsveranstaltungen, wie zum Beispiel zur Preisverleihung vom Projekt Nachhaltigkeit 2022 Auszeichnen – Vernetzen – Weiterdenken oder dem Running Dinner – 6 Treffen 6 Orte in und um Halle. So hatten wir die Möglichkeit, in offenen Austausch mit verschiedensten Projekten zu treten, deren Ansatz über Nachhaltigkeit und ihr Verständnis von Gemeinschaft zu erfahren und beim Kennenlernen unsere eigene Komfortzone zu verlassen.

Ich durfte einen eindrücklichen Einblick in die Geschichte der alten Brauerei gewinnen und die Menschen kennenlernen, die hinter dem Verein stehen und wie jede*r auf ihre/seine Art und Weise sich für die Rettung eben dieses beeindruckenden Gebäudes einsetzt. Der erzielte Mehrwert dieses FSJs bestand für mich daher nicht nur darin, handwerkliche Tätigkeiten erlernt und ausgeübt zu haben, sondern besteht vor allem im Bekanntschaften machen und diese Begegnungen als bereichernde Erfahrungen anzusehen, die mir in nachhaltiger Erinnerung bleiben werden.

Auch Florian nimmt viel aus der Schwemme mit

Ich denke, ich kann mich dem, was Lena bereits schon berichtet hat, nur anschließen. Nach einem lockeren Vorstellungsgespräch, war auch für mich klar, dass ich mein FSJ in der Schwemme absolvieren will. Auch als ein Vorpraktikum für mein Innenarchitektur Studium brachte mich dieses Jahr, vom heutigen Standpunkt ausgesehen, in vielen Bereichen weiter.

In diesem Jahr konnte ich viele neue technische und handwerkliche Fähigkeiten erlenen. Sei es die sehr vielseitige Arbeit mit Lehm in Form von Lehmstaken, Lehmsteinen oder Lehmputz, gewissen Maurerarbeiten oder Zimmermannsarbeiten. Oft mussten wir währenddessen aber auch selbstständig arbeiten und uns selbst organisieren. Trotzdem waren immer wieder Firmen vor Ort, mit denen man zusammenwirkte und in die unterschiedlichen Aufgabenbereiche Einblick hatte.

Die handwerkliche Aufgabe, die mir bis jetzt am meisten Spaß gemacht hat, war der Einbau eines sogenannten Fehlbodens. Es ist ein bewährtes Verfahren um in Holz-Deckenkonstruktionen einen wirksamen Schallschutz zu erstellen. Quasi eine dämmende Zwischenschicht zwischen der Decke des unteren Raums und dem Boden des oberen. Bei den Dachziegeln kann ich mich nur anschließen. Es war wirklich keine schöne Aufgabe, vor allem nicht im Winter, aber es war eine, die erledigt werden musste.

Es ist aber nicht nur ein Jahr gewesen, indem ich jeden Tag früh aufstand und meinen Tätigkeiten in der Schwemme nachging. Neben all dem, was ich dazu gelernt habe, gab es abseits der normalen Arbeiten auf der Baustelle viele weitere Highlights: größere öffentliche Veranstaltungen in der Schwemme, mehrere Exkursionen oder die Netzwerktreffen, bei denen ich immer mit vielen neuen Menschen in Kontakt kam.

Lena und ich können dieses Jahr wirklich jeder und jedem empfehlen, die/der Interesse an handwerklichen und praktischen Tätigkeiten verspürt, den regen Austausch mit anderen Personen nicht scheut und immer offen für neues ist. Ich würde sagen, Leidenschaft ist hier das beste Werkzeug.

In unsere, Podcast geben Lena und Flo weitere Einblicke:

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